2004 Weniger Berater, mehr Versager, bitte !

 Swiss Management Jahrestagung „The Swiss Dream – Ein Tag wider die Schwarzmalerei!“ 

Swiss Re Center for Global Dialogue Rüschlikon 11.11.2004


Sehr geehrte Damen und Herren Hochverehrtes Publikum

Da stehe ich nun vor Ihnen – als schier ergrauter Jungunternehmer. Sie haben eben Ihre tägliche Ovi gehabt, sind also nun belastbar.

Wie interpretiere ich meine mir gestellte Aufgabe?

Bin ich Tanzbär, unablässiger Murmler von Merksätzen, Schwarz-, Weiss- oder Sonntagsmaler, Analyst, Sprachkünstler, Lebensbeichtler?

Wie kann ich Sie enttäuschen – weil Sie dadurch unvermittelt Ihrer Erwartungen für diesen Anlass bewusst werden?

Womit müssen Sie die nächsten 20 Minuten rechnen?

Ich erzähle Ihnen von meiner Arbeit, was mich dabei bewegt, umhaut, worüber ich nachdenke. Ich weiss nicht, ob das für Sie von Bedeutung ist – der Veranstalter scheint davon auszugehen.

Ich fasse meine Überlegungen – etwas unzulänglich – unter dem Titel zusammen:

Weniger Berater, mehr Versager, bitte!

Nehmen Sie meine Ausführungen als Anlass zu einer Reise durch ihre eigenen Überlegungen und vor allem: pflichten Sie mir nicht bei – streiten Sie. Es geht um ein Spiel mit Ideen. Als Spiel, das um Themen kreist, um Aufsteigen UND Fallen, um Persönlichkeiten und Drückeberger.

Ich bringe dazu bewusst keine der Untermalung dienenden Hilfsmittel, ich versuche mich auf die Sprache zu konzentrieren – es gilt das gesprochene Wort! Auch für Sie!

Nun denn:

Weniger Berater, mehr Versager, bitte!

Sie hören es meinem Titel an: die Bitte ist sanft, nicht ultimativ.

Da steckt kein Stöhnen (auch nicht bereits Schwarzmalerei) dahinter, doch die Botschaft zielt auf etwas ganz Zentrales:

Der Gestus des Ratschlagens, der Expertisen und Gegengutachten bedroht immer mehr die Antriebsquellen unseres eigenen Tuns. In den Unternehmen – und nicht nur in ihnen, zählen Sie die Schulen, die politischen Administrationen, die Kirchen und Küchen hinzu – herrscht zu viel tote Bewegung – den Fussball lassen wir heute mal auf der Seite – es soll ja ein Tag wider die Schwarzmalerei werden.

Beratung fördert tote Bewegung immer dann, wenn sie nicht in aktives Tun umschlägt, in eigene Bewegung. Mithin sollte auch klar sein, dass sich mein Statement sich zuletzt gegen die Berater-Gilde richtet – wohl aber gegen Zauderer.

Wir sind umgeben von zu vielen Problemfindern, Entschuldigern, Vertröstern, Verneblern, Nicht Entscheidern. Sie trüben den Horizont unserer Zukunft, weil sie lieber sich tagtäglich vor dem Gebirge der Entscheidungen tummeln, und gar zu selten wagen, ins offenen Meer zu stechen.

Der merkwürdige wie grossartige Schweizer Schriftsteller Ludwig Hohl hat das in seinen Notizen „Vom Arbeiten“ (I/7) einmal treffend formuliert:

„Sie rennen mit entsetzlicher Eile zum Bahnhof und steigen in einen Güterzug. Und selten einmal einer schreitet ganz langsam und fährt mit dem Blitz.“

 Ludwig Hohl, Die Notizen, Vom Arbeiten I,7

 Warum nun aber mein Plädoyer für mehr Versager? Wo wir doch eigentlich wieder stolz werden wollen, die Flügel bewegen? Der Grund ist einfach: Ich möchte aus der Deckung heraus mich an dieses Thema heranpirschen, in der Hoffnung um mehr Erkenntnisgewinn.

Ist der Versager nicht eben jener, der etwas getan hat? Vielleicht zum falschen Zeitpunkt, mit der falschen Crew, in einem falschen Umfeld. Versagen ist dennoch vorerst Bewegung. Erst Liegenbleiben ist Stillstand. Wenn wir mit Versagen und Versagern nicht umgehen können, können wir auch nicht mit Erfolg umgehen.

Ich gedenke nun allerdings nicht, Ihnen eine Theorie des Versagens auszubreiten. Mich reizt vielmehr die Idee, ein Phänomen von seinem Gegenteil aus zu betrachten, die Dinge in ihrem Fluss zu sehen.

Lassen Sie mich erläutern, wie ich das in meinem eigenen Tun in den vergangenen 20 Jahren erlebt und erlitten habe.

Als ich 1977 nach Abschluss meines 2. Studiums aus der geschützten Werkstatt der Bildungsinstitutionen trat, irritierte mich dieselbe Frage, die mich auch heute noch irritiert: Wo ist mein Platz in dieser Welt?

Sicher eine philosophische Frage – aber bei weitem nicht nur. Die Welt, das ist der Alltag, jener Platz, den ich tagtäglich einnehme, das ist die Summe aller Momente, in denen ich e-mails, beantworte oder wegschmeisse, Entscheide treffe oder vor einer Ampel warte. Mein Platz ist letztlich jener Ankerpunkt, von dem ich das alles zu tun in der Lage bin.

Der tiefste Ankerpunkt wird genährt vom eigenen Traum. Traum verstehe ich nicht als blinden Wahn, nicht als zuckersüsse Versuchung; ich spreche von der tiefen eigenen inneren Sehnsucht, die die meisten von uns in ihrer Kindheit noch verspürt haben, bevor sie ihnen die Welt der Erwachsenen vernünftigerweise ausgeredet hat. 

Und dennoch: Was morgen Wirkung und Tat ist, ist im Voraus erst Traum, Bild von einem Land, an dem man selber baut. Aufschwung geht immer von einem Traum aus: Der Titel unserer Veranstaltung reflektiert das treffend: The Swiss Dream – der Traum eines Landes, eines Unternehmens, einer Persönlichkeit.

So denken wir uns Kolumbus auf seiner Fahrt: er sah nichts. Nur ein Traum führte ihn zu einem anderen Erdteil: seine Vorstellung von einem Land und sein unerschütterlicher Glaube an diese Vorstellung. 

Damit verbunden ist auch die Leidenschaft zur Grenz-Erfahrung, zu jener Neugier, die sich nicht aneignet, was sich schon ereignet hat, sondern sich vom Angeeigneten löst, sich Ungewissheiten stellt. 

Mein eigener Traum gründet auf einer merkwürdigen Idee: er umkreist den Gotthard. Seit 1980 setze ich mich mit einer ganz konkreten Landschaft der Schweiz auseinander  –  einem unwirtlichen Gebiet inmitten jener Pampa, die sich zwischen Schindellegi-Süd und Lugano-Nord dahinzieht. 

Meine Arbeiten der ersten Zeit verwendeten die Methoden des Künstlers. Mein Blick hing den Wolken nach, tastete in hunderttausenden von Aufnahmen die Erscheinung dieser Landschaft ab. Ich holte Musiker, Schauspieler, Feuerwerker und baute in den letzten 4 Jahren ein 4'000 m2 grosses Kommunikationszentrum in den Berg hinein. Dem realen Ort des Gotthards stellte ich mein Gotthardprojekt als Idee gegenüber. Damit stand ich dann unvermittelt selbst auf der Bühne des Unternehmers, nicht zuletzt weil künstlerische Projekte heute (und wohl früher schon) unternehmerische Dimensionen beinhalten. 

Künstlerisches Tun, wissenschaftliches Erkennen (das kannte ich aus 10 Jahren Hochschulzeit zuvor bereits), unternehmerisches Tun – hehre Ideale. Diese glitzernden Bereiche der Welt habe ich früher nur von weitem gesehen, in den Sternenmantel ihrer Ideale gehüllt. Doch mein Drang war stets, auf diese Bühnen zu steigen, sie zu erobern. Doch vorerst war ich schier gelähmt durch den Respekt vor meinen Vorstellungen vermeintlich unermüdlich forschender und fragender Wissenschaftler, von stets getriebenen Künstlern, von unentwegt erobernden Unternehmern – insgesamt Vorstellungen einer Welt als ein unablässig sich in Bewegung befindliches riesiges Bergwerk.

Was mich insbesondere an der Welt der Wirtschaft fasziniert hat, war meine naive Überzeugung, das hier Menschen unterwegs sind mit dem festen und steten Willen, etwas zu bewegen, etwas zu unternehmen, im Gegensatz zu anderen Teilbereichen der Gesellschaft, wo der Aktenberg am Morgen zuerst links und dann am Abend rechts steht. Als Unternehmer verstand ich jemanden, der etwas tut – ganz im Sinne des eben zitierten Ludwig Hohl: es geht vor allem darum, etwas zu TUN.

Unter-Nehmer verstand ich folglich wörtlich, Entscheider – doch angetroffen habe ich dann mehrheitlich Personen, der Augenmerk auf ganz andere Dinge gelenkt schien.

Davon dann später.

Mit dem Hutwechsel vom Künstler zum Unternehmer wandelte sich etwas Fundamentales: Mit wurde klar, wie die Zeit eine zusätzliche, bis anhin unbekannte Dimension erhielt: Unternehmerisches Tun tastet nämlich unablässig die Perspektiven der Zukunft ab, ortet Potentiale, Gelegenheiten, Möglichkeiten. Das liesse sich jetzt beliebig weiterdenken, kokett zitieren mit Georg Simmel etwa, der uns mal lehrte, dass Geld nichts anderes sei als ein Wechsel für Zukunft. 

Ich sehe das auch heute noch so: Wirtschaftliches Tun verwandelt Gegenwart in ein Potential von neuen Möglichkeiten. Wer bin ich jetzt – in der eben erstandenen neuen Garderobe, was werde ich aus dem gekauften Grundstück machen, welche neue Hörgewohnheiten eröffnet mir mein Ipod, was bringt uns ALDI-Süd in Pfäffikon?

Immer wieder eröffnen sich neue Möglichkeiten; nicht der Artefakt ist das Wesentliche, sondern das ihm innenwohnende Potential. 

Aus dieser Einschätzung heraus, dass wirtschaftliches Tun im Kern nicht das Herstellen von Artefakten (oder Dienstleistungen) ist, sondern die Kreation von Möglichkeiten, von Wertsetzungen (auch ein Börsengewinn oder sein Gegenteil gehört hierzu) erwächst dann für mich die zentrale Frage:

Wie begegnen wir heute dem Wandel? – Aufschwung ist ja Wandel

Wie begegnen wir dabei Risiken, wie pflegen wir sie, wie schützen wir uns vor ihnen 

Angesichts des denkbaren Möglichkeitspotentials wirken die Antworten vieler Unternehmenskulturen dazu vergleichsweise deprimierend. Sie scheinen sich in Problemlösungsprogrammen zu erschöpfen, deren Focus auf Bilanz, Ermittlung von Sparpotenzialen und verordneter Effizienzsteigerung liegt und deren einziger Gradmesser für Erfolg im Aktienkurs (auch jenen in der eigenen Tasche) zu liegen scheint. 

Insbesondere sind Fehlertoleranzen in diesen Programmen nicht vorgesehen. Die Handlungsspielräume erschöpfen sich im Kalkulierbaren, im Manifesten.

Latentenzbereiche zu orten wäre beispielsweise ein Kontrastprogramm – doch da sind wir bereits wieder auf der Bühne der Kunst: der Umgang mit Latenz, mit Möglichem in seiner nicht kalkulierbaren Form ist ihr Geschäft, der Handel mit Neuland und Abgründen.

Denke ich an die Verfahren in der Kunst, so begegnen uns hier vielfältige, überbordende, schäumende Wirklichkeiten, die in ihrer ursprünglichen Komplexität und Unkontrolliertheit zuerst als Antipode zu unternehmerischem Handeln erscheinen. Die Zukunftspotentiale künstlerischen Tuns müssen ja nicht in palettierfähige Formen abgepackt werden, sie mäandrieren, schlendern als Wolken dahin, verschwinden oder werden zu Gewittern.

Anders in der Wirtschaft. Das musste ich in meinen jungen Unternehmerjahren immer wieder schmerzlich erfahren. Produkte müssen zu einer Unverwechselbarkeit gerinnen, reproduzierbar werden, sich in Eindeutigkeit positionieren. Coca Cola bleibt Coca Cola, der Käfer läuft und läuft und läuft selbst dann noch, wenn es ihn schon längst nicht mehr gibt. Doch gerade präzise Produkte offenbaren ihr Geheimnis: es sind eben nicht Artefakte, es sind Ideen. Und als Ideen leben und erlöschen sie in unseren Vorstellungswelten.

Dennoch: nicht der Businessplan, nach dem Kolumbus segelte, hat ihn dorthin geführt, wovon zuvor niemand wusste – sondern seine Sehnsucht (was ja nicht ausschliesst, dass sich dann dahinter ganz handfeste Interessen stapeln können).

Oder an welchen Markt dachten wohl 1903 die Gebrüder Wright, als sie mit ihrem Gerüst über die Dünen zu huschen versuchten? Wie ist doch allein die Geschichte des Fliegens auch immer wieder eine Geschichte der Ideen, des Versuchens und Irrens, des Scheiterns und des unentwegten Aufstehens! Um wie viele Erfindungen und Einrichtungen wären wir wohl ärmer, wenn wir immer zuerst Businesspläne konstruiert hätten und uns von Beratern vor dem freien Fall (und der Verantwortung) zu entziehen versucht hätten.

Und wenn ich so über die Welt als Urmeer von Möglichkeiten nachdenke, so stehe unvermittelt wieder auf meiner alten Bühne der Soziologie, wo ich mein allererstes Handwerk gelernt habe. Eine nochmals andere Perspektive, um Welt greifbar zu machen.

Je komplexer Aktivitäten, rsp. Geschäftsbereiche sich entwickeln, desto unsicherer wird die Vorhersage der Konsequenzen von Entscheidungen.

Rahmenbedingungen werden heute zunehmend komplexer – jede Strategie kann nur als Wagnis, als Ritt über den Bodensee praktiziert werden, wo jedes Verweilen auf der Eisscholle tödliche Gefahren in sich birgt. Was einst Bestand hatte, bildet heute oft nur noch eine hauchdünne Eisschicht.

Als es noch zu sanieren und abzuspecken galt, da war die Stunde der heilspendenen Ordensbruderschaften angesagt, die Stunde der Berater und Beraterkonzerne, die franziskanischen Mönchen gleich ein Überleben unter erschwerten Rahmenbedingungen zu garantieren wussten, sofern sich ihre Gläubigen tugendhaft  ihren Diätprogrammen unterwarfen. 

Und der Drohgebärde von Missionaren gleich, galt und gilt auch heute noch Scheitern als luziferisch. Ein gefallener Engel mutiert zu einem Teufel, ist ergo von einer anderen Welt, was wir möglichst rasch unter den Teppich kehren wollen.  Ich erspare Ihnen die Liste unserer einst oft gar goldenen Engel, sie kennen sie alle: Mal standen sie im Licht – und dann plötzlich im Dunkeln – und über die im Dunkeln spricht man nicht. 

Fallen ist in diesem Land fatal. Wir kennen weder die Kultur des Scheiterns noch jene des Neuanfangs. Oder wie die Weltwoche jüngst titelte: „Gott vergibt, die Schweizer nie.

Nach Dekaden prosperierender Aktivitäten haben wir den Umgang mit dem Fallen verlernt. Schon dem Gedanken ans Fallen an sich haftet in unserer bislang geschützten Werkstatt Schweiz der Makel an, so dass wir nie Übungsplätze des erfolgreichen Fallens und Weitergehens entwickelten.

Aber es geht nicht nur um das Rehabilitieren des Fallens: In der öffentlichen Meinung und selbst in jener innerhalb der Wirtschaft misst man den Grad des Versagens nach wie vor an der Fallhöhe und nicht am Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe. Es ist ja aber wohl ein Unterschied, ob ich in einem gesättigten Markt mit einem Pizzakurier falliere oder bei einer Umstrukturierung eines internationalen Maschinenkonzerns.

Aufstiege UND Abstiege gehören zu einem pulsierenden Wirtschaftsleben, zu jeder Form von Aktivität. Berge sind ohne Täler nicht zu haben.

Wer aus Niederlagen nicht lernt, lernt auch nicht siegen.

Doch bei uns werden aus Gefallenen im höchsten Fall noch „freiberufliche Berater“ warum nicht wieder Unternehmer, die sich wieder auf die Bergfahrt machen?

Bergfahrt ist auch eines meiner Grundthemen in meiner Arbeit. Ich setze mich ja seit Beginn der 80er Jahren mit dem Raum und der Idee des Gotthards auseinander. Daraus sind in jüngerer Zeit auch Unternehmen entstanden, so etwa das Seminarzentrum mit Hotellerie – LA CLAUSTRA – ein Rückzugsort für Denken und Konzentration ausserhalb der gewohnten Koordinaten von Raum und Zeit. Die Anlage ist aus der Transformation des Prototyps des Reduits in den Anhöhen des Gotthardpasses hervorgegangen.

Und gegenwärtig entsteht zusammen mit verschiedenen Exponenten der Schweizer Wirtschaft der Ausstellungs- und Forschungspark SASSO SAN GOTTARDO. Ab 2007 sollen in dieser zweiten, 3 Kilometer langen, unterirdischen Anlage zusammen mit dem Umgelände auf dem Gotthardpass die Themen Wasser, Klima/Wetter, Verkehr, Energie und Sicherheit im Sinne von entsprechenden Kompetenzzentren zugänglich werden. Unter anderem ist neben einer luftdruckbetriebenen Stollenbahn eine über 400 m2 grosse Felsentherme – ein eigentliches Wasserschloss – vorgesehen.

Und in einer dritten Baustelle bin ich mit dem Aufbau des Brands SAN GOTTARDO beschäftigt, einer meiner Meinung nach stärksten Marken der Schweiz – allerdings vorerst noch ohne entsprechende Produkte. Ein wahrer Swiss Dream.

Ich arbeite an diesem Traum – der, wenn ich diese 5 Themen Wasser, Klima/Wetter, Verkehr, Energie und Sicherheit nehme – gar nicht so privat ist. 

Ich mache das fernab der Städte, werde dabei kritisch (nicht selten), bewundert (seltener), desinteressiert (der Regelfall) von der Bevölkerung nördlich wie südlich des Passes gemustert.

Kein Lebenswerk – Knochenarbeit und letztlich unvernünftig. 

Saison ist kurz: am 15. Juni endlich durch den Schnee und am 16. Oktober wieder im Schnee, Personal nicht zu finden, Banken sehen schon beim Klingelton des Telefons rot. Markt ist da, Liquidität nicht, Schwarz und Weiss ganz dicht beieinander – eine tägliche Zerreissprobe. Scheitern ist eigentlich programmiert.

 Und doch stehe ich jeden Tag wieder auf und öffne die Türe von Neuem.

Wie ist das zu bewältigen? Da habe ich 2 Strategien hautnah zu spüren bekommen:

Die Problemwälzer und die Lösungsfinder.

Spannend ist die Frage: Wie kann man das auch anders lösen. Andere Finanzierungsinstrumente, neue Berufsbilder, andere Kommunikationskampagnen.

So bin ich unentwegt im Gespräch mit Dutzenden von Leuten, entwerfe neue Lösungen, verwerfe wieder, mache neue Anläufe. 

Ich wünschte mir von mir und meinen Gegenübern oft, dass wir aufhören könnten mit dem Versteckspielen, mit unseren Berührungsängsten vor Material und Mensch, dass wir transparenter würden in unseren Wünschen, unserem Wollen aber auch in unseren Ängsten. Würde jeder das tun, was er wirklich gut (und auch gerne!) macht, dann zeichnete sich plötzlich ein ungemeiner Aufschwung ab. 

Wir müssten schneller Teams bilden können, bezogen auf eine Aufgabenstellung, Lösungen entwickeln und den Stab dann wieder weiterreichen, die Dinge im Fluss lassen und nicht Bollwerke darum bauen. Ich wünschte mir in diesen oft furchtbar einsamen Startups-Phasen Weggefährten, die Pate stehen, in dem einen oder andern Bereich mitziehen. Es müssen ja nicht gleich Verwaltungsratsmandate oder andere hochformalisierte (und dann häufig aber auch wiederum nicht bezahlbare) Positionen sein.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir so unendlich verschanzt hinter dem Gemäuer unserer Institutionen hocken, Gemäuer, das ja morgen schon kaum mehr als eine dünne Eisschicht sein kann. Um genau das ging es mir ja auch, als ich den Prototyp des Reduits transformiert habe: um eben einen Ort zu schaffen, in dem solches Verflüssigen möglich wird – vorerst in einem Schonraum, ausserhalb der gewohnten Koordinaten von Raum und Zeit.

In diesem Sinne, so meine ich, ist ein Tag wider die Schwarzmalerei auch ein Tag wieder die gutgemeinten Ratschläge, wider das Verstecken hinter Gutachten und Beratungskonzernen, wider das Vermitteln der Tipps von Hinz und Kunz.

***

Die Referenten wurden gehalten, ihre Initiativen und Erkenntnisse rezeptartig zusammenzufassen. Natürlich könnte ich aus meinen Erfahrungen einen Betty-Boss-Pfad zurechtzimmern:

Nicht das Fallen ist das Problem, sondern das Liegenbleiben.

Zum Aufstehen gehört auch: Verantwortung übernehmen. Beim Liegenbleiben können sie darauf pfeifen.

Wenn Sie Unverwechselbares leisten, dann ist Scheitern schon vorprogrammiert, rsp. Ist Nicht-Scheitern stets die Ausnahme.

Sie sind in den wichtigen Dingen stets allein –  rsp. auf sich allein gestellt.

(Das erhöht den Hunger auf Berater, Mama lässt grüssen)

Das Fehlen von Not führt oft zu belanglosen Aktionen und fördert vor allem die Fokussierung auf persönliche Motive.

Mit dem Geld anderer umzugehen bringt einen selten an die eigenen Grenzen.

Mit viel Ressourcen umzugehen zwingt einen selten, effizient zu werden, Prioritäten zu setzen.

Nicht in die unmittelbare persönliche Verantwortung gezogen zu werden, mobilisiert selten die Kraft der eigenen inneren Anteilnahme.

Wahre Entscheidungsfähigkeit wächst erst aus dem Mangel heraus.

Besorgen sie sich ein inspirierendes Umfeld...

... aber nun Spass beiseite!

 Nun, um die Vermittlung von Erkenntnissen gibt es nämlich zwei fundamentale Irrtümer:

-       Man meint man können sie übermitteln wie eine Nachricht

-       Man könne sie bewahren (im Gedächtnis oder im Bücherschrank.)

 Ich kann Ihnen deshalb keine Tipps geben. Ich kann Ihnen lediglich von meinen Erfahrungen berichten in der Hoffnung, dadurch Ihre eigenen Erfahrungen anklingen zu lassen und dass Sie dabei auf Ihre eigene Reise gehen. 

 ***

In der modernen Managementliteratur gelten Wachstum, Wandel, Leadership und Kultur als Erfolgsfaktoren (es sind im übrigen auch massgebende Faktoren des Scheiterns !).

Aus Wachstum, Wandel, Leadership und Kultur konstruiert sich unternehmerische Wirklichkeit. Sie entsteht aus Handeln, aus Handeln aus dem Unternehmen heraus (und aus der Überwindung der Furcht vor dem Scheitern)

Und da stehen Sie dann plötzlich auch vor der Frage: 

Wo ist mein Platz in dieser Welt

Wie begegne ich dem Wandel?

Wenn Sie darauf jeden Tag eine Antwort geben können, dann vergessen Sie mit der Zeit die Angst vor dem Fallen.

Und Sie werden kaum je der Gefahr erliegen, liegen zu bleiben. 

Ein Tag wider die Schwarzmalerei ist ein Tag für Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, ein Tag des persönlichen Statements. Dann sind sie immer auf der Höhe Ihrer selbst.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

AUTOR

1948 in Luzern geboren, lebt in Eglisau (ZH), auf dem Gotthard und in Südostasien.

Studium der Kunstgeschichte, deutschen und französischen Literatur, danach Soziologie und Ethnologie, Dozent für Soziologie an der Zürcher Hochschule Winterthur, Dept. Wirtschaft Schwerpunkt Organisationsentwicklung, Massenmedien und Märkte

Seit Beginn der 80er setzt er sich Jahren mit dem Raum und der Idee des Gotthards auseinander. Daraus sind in jüngerer Zeit auch Unternehmen entstanden, so etwa das 4'000 m2 grosse Kommunikationszentrum mit Hotellerie – LA CLAUSTRA – ein Rückzugsort für Denken und Konzentration ausserhalb der gewohnten Koordinaten von Raum und Zeit. Die Anlage ist aus der Transformation des Prototyp des Reduits in den Anhöhen des Gotthardpasses hervorgegangen. Gegenwärtig ist er zusammen mit verschiedenen Exponenten der Schweizer Wirtschaft an der Entwicklung des Ausstellungs- und Forschungsparks SASSO SAN GOTTARDO. Ab 2007 sollen in dieser zweiten, 3 Kilometer langen, unterirdischen Anlage auf dem Gotthardpass die Themen Wasser, Klima/Wetter, Verkehr, Energie und Sicherheit im Sinne von entsprechenden Kompetenzzentren zugänglich werden. Unter anderem ist neben einer luftdruckbetriebenen Stollenbahn eine über 400 m2 grosse Felsentherme – ein eigentliches Wasserschloss – vorgesehen.