1994 VOM FEUERWERK 

Sendung DRS 2 für 1.August 1994 Redaktion: Michael Köchlin1. 

1 Feuer und Sprache

 

Feuer und Sprache haben etwas Gemeinsames: beide sind Ausdruck des Triumphes über unsere ursprüngliche Unbewusstheit. In der Vergangenheit bildeten sie die beiden stärksten magischen Mittel zur Bewältigung der allgegenwärtig drohenden dämonischen Kräfte des eigenen Unbewussten und der uns umgebenden Natur.

Sprache und Feuer sind wesentliche Manifestationen von Energie.

Ursprünglich sah man u.a. im Feuerwerk eine Vereinigung von weiblichem Salpeter und männlichem Schwefel. Daraus entstanden später Flammentheater. Riesige Aufwendungen für Momente von Kunst. (Vgl. u.a. die feudale Festkultur des Barock)

 

2 Die Kunst der Verschwendung

 Im Feuerwerk wird  das Tabu der Sparsamkeit aufgehoben: man opfert ein Königreich für einen kurzen, kaum  fassbaren Moment, für eine flüchtige Zeichenhaftigekit am Himmel, für eine janusköpfige, unkontrollierbare Erscheinung, für einen Funkenwurf aus den bestandenen Substanzen Salpeter, Schwefel und Kohle.

3 Feste und Feiern

 Feuerwerk kennt man in Europa seit dem 14. Jt (die beiden andern für Feuerwerk bekannten Kulturräume sind China und Arabien). Seit dem 16. Jt. hat man Feuerwerk meist mit den Mitteln der Architekur und des Theaters eingesetzt. Bekannte Namen finden sich hier: Leonardo, Bernini, Rubens, Fischer von Erlach, Balthasar Neumann - eine Parade bekannter Barock-Architekten. Diese Manifestationen feudaler Herrschaft fanden später in Nationalistischen Feiern ihre Fortsetzung. Feuerwerke waren immer wieder Ausdruck von Höhepunkten; beispielsweise liess Napoleon III anlässlich des Besuchs der Königin Victoria an der Pariser Weltausstellung ein Riesenfeurwerk abbrennen.

Keine Kunst ist massenwirksamer (Man verzeichnete 1 Mio. Zuschauer in Lissabon und in Berlin bei André Hellers Feuerzauber; ähnliches wird berichtet bei Albert Speers Reichstagsritualen, bei Inaugurationen von Weltausstellungen im 19. Jt. usf.)

Eine pragmatischere Form von Feuer(-werk) finden wir in der Schweiz: die sogenannten Chutzenfeuer etwa, die seit dem Mittelalter vor allem wegen ihrer Signalfunktion  auf den gut einsehbaren Bergspitzen und Hügeln verwendet wurden. Ihre Aufgabe war die Weiterverbreitung von Informationen (z.B. der Seeburg-Turm bei Luzern - oder der Hinweis auf die "Höhenfeuer" in Schillers Wilhelm Tell, um die Nachricht des Burgenbruchs zu verbreiten).

4 Vom Funktionswandel des Feuerwerkes oder Vom Verschwinden des Grossen Augenblickes

 Der Funktionswandel in der Nutzung von Feuerwerk heute ist offensichtlich. Der barock geprägte szenische Umgang mit Feuer ist selten geworden. Statt  des Erzählens von Geschichten mittels Feuer dominiert heute der amerikanisch geprägte Typus: die Space-Shows zu (Computer-)Musik. 

Mit dem Vormarsch des schnellen Effekts, des Augenkitzels ist auch der rituelle Charakter von Feuer und Feuerwerk verschwunden: aus den Festen und Feiern sind zunehmend reine Freizeitvergnügen geworden.

Dieser Wandel hat verschiedene Ursachen: technisch ist er u.a. bedingt durch die Einführung des elektrischen Lichtes in den öffentlichen Raum (1844 wird erstmals der Place de la Concorde in Paris beleuchtet). Die elektrische Illumination wird jetzt dominant: Beleuchtungen, Leuchtreklamen, insgesamt alles Tribute an den orientierenden Reflex menschlicher Wahrnehmung. Eine andere Ursache ist sozialer Art und zeigt sich im gewandelten sozialen Bezug des Feuerwerks. Bis ins späte 18. Jt. dokumentierten die Feuerwerke noch die hierarchische Position desjenigen, der mit Feuerwerk befeiert wurde. (In der Regel waren denn auch Artillerieexperten für das Lustfeuerwerk zuständig.)

Heute sind Feuerwerke popularisiert: ihr Freizeitcharakter dominiert und die Produkte sind im Prinzip jedermann massenweise zugänglich.

 Ein weiterer Grund für den Wandel liegt in unseren Berührungsängsten mit allem, was mit Monumentalität, aber auch mit den sogenannt "erhabenen Dimensionen" zu tun hat: während Jahrhunderten bis hin zum 2. Weltkrieg wurde Monumentalität immer wieder mit Feuerwerk unterstützt (der exemplarischen Abschluss bildeten im Dritten Reich Albert Speers Arbeiten). 

Die Suggestivkraft des Feuers – abgehoben von der Erde, Feuerzeichen am Himmel – beeindrucken die Menschen nicht nur, sie zwingen ihn auch in eine Passivität: eine schier unübersehbare Menschenmenge staunt in den Himmel hinaus und findet daraus kaum mehr heraus. 

Es ist heute schwierig geworden, neben der nach wie vor anarchisch-lustvollen Seite des Feuerwerks (das dieses zum idealen Partner der Freizeitindustrie macht) auch den weihevollen, rituellen Charakter des Feuer(werkes) zu nutzen ohne in den Verdacht faschistischer Tendenzen zu geraten. Zuviele Berührungsängste sind noch da. Nach den Maniufestationen im Dritten Reich ist dies Europäern eigentlich nur noch in Popkonzerten gestattet.

So sind die ehemals symbolträchtigen Höhepunkte zunehmend zu einer simplen optischen Attraktion geworden. Mit der Abkoppelung aus dem politischen, sozialen und kulturellen Sinnzusammenhang hat in einem gewissen Sinne eine Trivialisierung des Feuerwerkes stattgefunden: es dient der Stimmungsanheizung und tritt hierin in Konkurrenz zu andern Feuerwerksveranstaltungen – " hat man nicht schon Eindrücklicheres gesehen ?" Der genunin künstlerische Aspekt wie der rituelle Chrakter – das eigentlich Archetypische des Feuerwerkes am Himmel – hat dem Amusement Platz gemacht. Heute beginnen sich die Feuerwerke immer mehr einander zu gleichen, höchstens der Kenner schliesst allenfalls aus der Art der dargebotenenen Leistung noch auf mögliche Hersteller und für den Betrachter war die Erscheiniung am Himmel wie eine angenehme Bretzel zwischen den Festbieren.

Reize - oft - ohne Sinn. Ein Vergleich sei angebracht: im Vergleich zu den barocken Manifestationen nehmen sich die heutigen Feuerwerke aus wie ein Glühwürmchen neben einem Blitz. 

5.

“Und dann sprang eine Rakete hoch und schoss peng blind und O! dann barst die Leuchtkugelröhre auseinander und es war wie ein seufzendes O! und alles schrie O! und O! in Verzückung und es ergoss sich daraus ein Strom goldregnender Haarfäden und sie schimmerten auseinander und AH! da warens auf einmal lauter grünliche tauige Sterne die niederfielen mit güldenen O so lebendig! O so sanft, süss, sanft!

Dann schmolz alles tauig dahin in der grauen Luft: alles war still.”

Aus: James Joyce, Ulysses