PRIMALINEA OVERVIEW

Die PRIMA LINEA ist die Vision einer Verbindung zwischen dem nördlichsten Eckpunkt des lombardischen Kulturraumes – dem OSPIZIO SAN GOTTARDO – und dessen Mittelpunkt, dem DUOMO SANTA MARIA NASCENTE in Milano.

So wie diese Stadt – als beherrschende Metropole des lombardischen Kulturraumes – ringförmig um diesen PUNTO ZERO des Domes angeordnet ist, so entstanden später auch Visionen weiterer Verbindungen, u.a. etwa jene einer 45 km langen schnurgeraden Verbindung zur piemontesischen Stadt NOVARA.

Google Earth: 130 km lange Linie zwischen dem Cuomo die Milano und dem Ospizio San Gottardo

Google Earth: 130 km lange Linie zwischen dem Cuomo die Milano und dem Ospizio San Gottardo

Während vielen Aufenthalten im Gotthardgebiet ist mir immer wieder aufgefallen, wie ich mich nicht gegen Norden, sondern gegen Süden hin orientierte. Immer wieder tauchte dabei als Hinwendung meiner Orientierung eine Stadt als Mittelpunkt auf: Mediolanum, das heutige Milano. Sicher gibt es auch hier historische Hintergründe, die Gründung einer vorromanischen Kirche auf dem Gotthard durch das mäiländer Episkopat, die Alte Sust gilt als der nördlichste lombardische Bau usf. Aber auch hier bin ich anderen Spuren nachgegangen: die Luftlinie zwischen dem Hospiz auf dem Gotthard und dem Mäiländer Dom (der auf einem keltischen Heiligtum errichtet worden ist und eine Art geodätisches Zentrum bildet), misst 130 km. Zufällig habe ich einmal auf einer grossen Karte diese Strecke mit einem Zirkel eingetragen, und  dabei eine interessante Feststellung gemacht: der Kreisbogen kreuzt im Norden die alte römische Stadt Augusta Raurica und im Westen Aventicum, mit einer Abweichung von wenigen hundert Metern. Anregung und Bestätigung über die Vorstellung von energetischen Linien im Gelände. 

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Das Projekt PRIMA LINEA basiert auf einem imaginierten Richtstrahl zwischen den beiden genannten Orten. Diese Linie führt durch Hochgebirge und urbane Regionen, erreicht den höchsten Punkt auf ca. 2600 m ü.M. im Gebiet des Vesperos in der oberen Leventina, den tiefsten auf 96 m ü.M. auf dem Grund des Lago Maggiore. 

Ospizio SAN GOTTARDO mit TREMOLA (© Swiss Air Force) Blickrichtung Süden

Ospizio SAN GOTTARDO mit TREMOLA (© Swiss Air Force) Blickrichtung Süden

Im Abstand von 1 km befinden sich sogenannte “Erdstationen”. Die ursprüngliche Version bestand aus quadratischen Bleiplatten im Format von 33 auf 33 cm, eingefasst in einen Acrylmantel. Auf der Oberseite der Platten waren die Himmelsrichtungen und die Entfernung zum Gotthard, auf der Unterseite Skizzen, rsp. Texte.eingraviert.. Die Platten wurden in etwa 100 bis 150 cm Tiefe in der Erde versenkt und wieder zugeschüttet, nach aussen hin unsichtbar und auch nicht markiert. Von jeder Erdstation exisitiert ein "Zwilling", eine analoge Platte, eingefasst in einer Kassette, in der Angaben über Standort und Eigenheiten des jeweiligen Ortes sowie eine Dokumentation über die Errichtung der Erdstation enthalten sind.  Jede Errichtung einer Erdstation war mit einer speziellen szenischen Veranstaltung verbunden, die mit den örtlichen Gegebenheiten in Beziehung steht. Die ersten Erdstationen wurden Mitte der 1990er Jahre verlegt.

INAUGURAZIONE ERDSTATION No. 129. / Sept. 1994 - Feuerlinie vom Ospizio herkommend

INAUGURAZIONE ERDSTATION No. 129. / Sept. 1994 - Feuerlinie vom Ospizio herkommend

INAUGURAZIONE ERDSTATION No. 129. / Sept. 1994

INAUGURAZIONE ERDSTATION No. 129. / Sept. 1994

Aus logistischen Gründen musste das Konzept geändert werden. Die Bohrvolumen erwiesen sich als zu voluminös und satt der Fokussierung auf die Inhalte dominierten die logistischen Vorkehrungen. Deshalb wurden statt den in Acrylmantel eingefasste Bleiplatten Kupferröhren eingesetzt, welche viel schmalere Bohrlöcher benötigen. Geblieben ist das Konzept, die einzelnen Bohrlöcher mit Texten und Zeichnungen zu versehen, in denen die Erfahrungen des Projektes verarbeitet sind. Das bei den Bohrungen gewonnene Forschungsmaterial ist die Basis für eine wissenschaftliche und künstlerische Recherche. Über die vielschichtigen Sedimente der Natur- und Kulturgeschichte entwickelt sich eine systematische Reflexion zum Thema Boden.  Das Projekt will damit auch die Zukunftsfähigkeit des Bodens auf der Grundlage des bisherigen kulturgeschichtlichen Umgangs damit ergründen. Elementare Techniken wie “erheben”, “betrachten”, “separieren”, “synthetisieren” lassen komplexe Stoffgeschichten transparent werden. Sie könnten unter anderem Antwort geben auf die Vermutung, dass eine der Ursachen ökologischer Probleme darin besteht, dass wir Stoff und Energie bisher unabhängig von ihren jeweiligen Geschichten quantifiziert haben. Damit ist das Projekt auch eine Forschungsarbeit über “das Gedächtnis der Erde”.

Ausführlicher auf www.prima-linea.ch

 Verlegung Bodenstation No. 125 (2005)